Oberarth SZ – Für eine ultimative Verhandlungsrunde über das Rahmenabkommen mit der EU ist der Schweizer Bundespräsident im April 2021 nach Brüssel gereist. Eigentlich war es die letzte Chance, gegenüber der EU klare Kante zu zeigen, was aber nicht erfolgte. Böse Zungen könnten behaupten, Guy Parmelin hätte sich verhalten wie ein Buchhalter, der die Unterlagen für den Kundenbesuch im Büro vergessen hat.
Die Schweiz ist ein politischer Tausendfüssler. Jeder will mitreden. Doch wenn klare Entscheidungen gebraucht werden, wie jetzt beim Rahmenabkommen, trauen sich die demokratisch gewählten Vertreter immer weniger, den letzten Schritt zu gehen. Und dies aus gutem Grund. Denn viele Schweizerinnen und Schweizer haben immer weniger Hemmungen, den Bundesrat, kantonale Regierungen oder sogar Gemeinderäte für getroffene Entscheidungen zu kritisieren oder sogar zu diffamieren. Dabei nehmen sie oftmals kaum Rücksicht darauf, dass jeder politische Entscheid auch immer ein Kompromiss sein muss.
Frau von der Leyen und die Verantwortlichen bei der EU verstehen die Situation und halten die Tür offen für weitere Verhandlungen.
Bei weiteren Verhandlungen könnten von der Schweiz klug formulierte Präzisierungen zum Vertrag, die der EU das Gefühl geben, dass man auch Verständnis für die Gegenseite hat, die Voraussetzungen für eine Einigung schaffen. Leider wird dieser Ansatz in der Schweiz als wenig aussichtsreich eingeschätzt und daher kaum diskutiert. Dagegen hat die EU reichlich Erfahrung mit Bedenkenträgern aus unterschiedlichen Ländern und lässt häufig Präzisierungen zu ihren eigenen Abkommen verfassen, damit eine einheitliche Auslegung und Anwendung im ganzen EU-Binnenmarkt möglich ist. Auch beim Rahmenabkommen könnte alles das, was der Schweiz wichtig ist, durch positive Formulierungen entschärft werden.
Die Schweiz erzielt seit über 10 Jahren echtes Wirtschaftswachstum nur noch in Exportmärkten und vor allem in EU Ländern.
Aus Sicht vieler Schweizerinnen und Schweizer wiegen sich Vor- und Nachteile des Rahmenabkommens auf. Ein «Ja» würde gewisse Einschränkungen für die Möglichkeit einseitiger Entscheide der Schweiz mit sich bringen. Ein «Nein» dagegen hätte erhebliche wirtschaftliche Nachteile. Dazu muss man wissen, dass die Schweiz echtes Wirtschaftswachstum seit mehr als 10 Jahren nur noch in den Exportmärkten und vor allem im Handel mit der EU erzielt. Dieser Umstand wird bei der Kommunikation mit den Bürgern immer wieder unter den Tisch gekehrt und führt zu Unverständnis für die eigentliche Situation, in der sich die Schweiz befindet.
Präzisierungen im Vertrag können Voraussetzungen für eine Einigung schaffen. Leider wird dieser Ansatz in der Schweiz kaum diskutiert.
Beispielhaft ist die Regelung der Kaution, die von EU-Dienstleistungserbringern in der Schweiz hinterlegt werden muss. Als übergeordnetes Ziel und damit als gemeinsames Interesse beider Parteien wird im Rahmenabkommen die vollumfängliche Garantie der Arbeitnehmerrechte bezeichnet, was aber ein ganz anderes Thema ist. Die EU kennt in ihrem Binnenmarkt keine Kaution und möchte diese neu nur bei Firmen zulassen, die in der Vergangenheit Verstösse begangen haben. Als Kompromiss könnte festgelegt werden, dass die Schweiz bei zunehmenden Verstössen die Kautionslösung wieder erweitert einsetzen darf.
Mögliche Präzisierungen im Rahmenvertrag, mit denen sich die Schweiz für die Zukunft absichern kann, sind vor allem in drei Bereichen wichtig:
Fazit
Gegenseitig vereinbarte Präzisierungen sind ein Ansatz, mit dem sich die Schweiz gegen viele Risiken, die sich aus dem möglichen Abschluss des Rahmenabkommens ergeben, wirksam absichern kann. Eine praktikable Lösung ist demnach vorhanden, der Bundesrat muss sie nur durchsetzen.
Über Oskar Loewe
Als selbstständiger Unternehmensberater mit Sitz in der steuergünstigen Zentralschweiz berate und begleite ich seit 2001 Unternehmer der Technologie- und Dienstleistungsbranchen bei der Standortentwicklung Schweiz. Dies beginnend mit der Beratung zum Standortentscheid, über die Projektierung der Neugründung oder Expansion, bis hin zu einem rentablen Betrieb (und darüber hinaus). Weiteres Angebot: Treuhanddienstleistungen, Firmengründungen, Buchhaltungen und Steuererklärungen gemäss Schweizer Steuerrecht sowie Personalberatung und Administration. Regionalen Regierungen biete ich innovative Konzepte und Entscheiderontakte zur erfolgreichen Investment-Promotion von Industrie- und High-Tech Parks oder Branchenclustern. Auch suche ich im Kundenauftrag gut geführte Unternehmen zur Übernahme und begleite die gesamte Transaktion bis zum erfolgreichen Abschluss. Neben meiner unternehmerischen Tätigkeit war ich seit 2009 für bekannte Unternehmerverbände tätig. Zuletzt von 2015-2019 als Vorstand bei Deutscher Arbeitgeber Verband e.V..